Zu Besuch: Langener Tafel – Erfahrungsbericht

Aktion, Neuigkeiten

So ziemlich Jede*r kann mit dem Begriff der Tafel etwas anfangen und hat ein grobes Bild vor Augen. Man assoziiert mit der Tafel Begriffe wie zum Beispiel „Lebensmittelrettung“ & „Unterstützung bedürftiger Menschen“ – also etwas durchweg Positives. Doch viele Details bleiben auf der Strecke; weil man nicht betroffen ist, weil man nicht hinsehen will, man selbst schon anderweitig ehrenamtlich tätig ist oder oder oder…

Nach einem ersten Kennenlernen in einer Sitzung des Ausländerbeirats wollte ich mehr über den gemeinnützigen Verein Langener Tafel e.V. wissen und verstehen, wie die Tafel in Langen „funktioniert“.

Als Kommunalpolitiker, gerade wenn man wie ich im Ausschuss für Soziales, Sport und Kultur sitzt, ist es mir ein Anliegen mich auch den lokalen sozialen Themen widmen. Daher ist es mir auch wichtig zu verstehen, was die Dreieicher Politik im Kontext der Langener Tafel bisher getan hat und wo sie noch mehr tun kann, um der Organisation selbst, aber auch den bedürftigen Menschen zu helfen.

Auf Einladung von Günthel Böhnel und Katja Bernhard, meinen Ansprechpartnern seitens des Vorstandes, durfte ich am 19. August einen ganzen Tag bei der Tafel verbringen.

Ich zähle mich zu den Machern und wollte selbst mit anpacken – die Chance wurde mir gegeben, so verlief der Tag:

Beginn war um 9:30 Uhr und ich wurde von der Teamleitung Ute freundlich begrüßt und eingewiesen. Im Hintergrund arbeiten schon gut 10 ehrenamtlich-tätige Helfer*innen, teils warten schon ersten Kund*innen vor dem Gebäude und warten auf ihren Einkauf. Der erste Transporter, der schon in den Morgenstunden einige Supermärkte, Händler, ect. abgefahren hatte, war schon voll beladen und zum Ausladen bereit. Hätte die Tafel die Lebensmittel usw nicht abgeholt, wären sie direkt in den Müll gewandert. Die Entsorgung kostet die Supermärkte, Bäcker, ect. Geld; für die Spende an die Tafel gibts für die Unternehmen im Gegenzug die Möglichkeit einer Sonder-Abschreibung.

Massen an – teils sortierten, teils unsortierten – Lebensmitteln, die von den Supermärkten aussortiert und als „unverkäuflich“ bzw. „nicht mehr verkehrsfähig“ deklariert wurden, mussten ausgeladen werden.

Beim Anblick der Massen an Lebensmitteln muss ich mit meinem Gefühlen kämpfen und die Tränen unterdrücken. Bilder von hungrigen Menschen in der 3. oder auch der 2. Welt schießen mir durch den Kopf. Wenn diese Massen direkt vor mir „nur“ aus dem Langener Gebiet sind, wieviel Lebensmittel haben wir dann im Kreis Offenbach, in Hessen, in der Bundesrepublik, in Europa und allen westlichen Ländern übrig?

In diesem Moment merke ich, wie wichtig die Arbeit der Tafel ist: einerseits werden so Lebensmittel gerettet, andererseits gibt es auch die Bedürftigkeit in Deutschland.

Ich wurde der Obst-Abteilung zugeteilt. Mit Handschuhen und Schürze ausgestattet ging es an die Sicht- und Tastprüfung des Obstes. Die Frage „Würde ich das noch selbst essen?“ ist ein Haupt-Kriterium. Meine zwei Kolleginnen in der Abteilung geben mir hilfreiche Tipps. So ziemlich jede Obstsorte, die man selbst im Supermarkt immer findet, ist dabei.

Viele Produkte sind noch in einwandfreien Zustand, manche haben leicht Drückstellen, manche kamen schon ziemlich matschepampig an und wandern direkt in die Bio-Abfalltonne. Manche Produkte muss man erstmal von ihrer Verpackung befreien – Mülltrennung wird beachtet. Andere Lebensmittel, aus denen man noch Kompott machen kann, werden extra gesammelt. Gerade beim Obst tummeln sich viele Wespen, da die Eingangstüre vorne offen steht – zimperlich darf man hier nicht sein. Gegen 11:15 Uhr sind wir von der Obst-Abteilung, aber auch die anderen Abteilungen, fertig mit dem sortieren.

Zwischendurch hat mich Ute und Herr Böhnel mal zur Seite genommen und mir das Trockenlager gezeigt: Nudeln, Reis, Saucen, Kaffee, Salz, Tee – alles teilweise noch mit längerem Haltbarkeitsdatum. Teils von Privatpersonen oder direkt von den Herstellern gespendet oder aussortiert worden. Die Räumlichkeiten wurden zuletzt erst dazu gemietet – das schafft einerseits mehr Möglichkeiten, andererseits sind es wieder zusätzliche Kosten, die abgedeckt werden müssen.

Parallel zum Sortieren findet ab ca. 11 Uhr die Anmeldung der Kunden statt, manche warten bereits seit morgens. Bei Erst-Anmeldung wird mit einer amtlichen Bescheinigung die Bedürftigkeit nachgewiesen. Die Gründe hierfür sind höchst unterschiedlich: Hartz IV, Grundsicherung.

Damit es fair zugeht bekommt jede*r Kund*in per Losverfahren einen Einkaufsplatz zugewiesen, nachdem sie der Reihe nach ihren Einkauf tätigen können.

„Was nix kostet, ist nix wert“: Damit auch die Kund*innen den Wert der Lebensmittel zu schätzen weiß, zahlen sie für den Einkauf: Einzelpersonen 2,50 €, für Paare & Familien 4 €.

Die Tafel teilt immer Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag aus. Die Kund*innen bekommen einen festen Tag zugeteilt. Auch die ehrenamtlichen Helfer*innen haben ihre festen Arbeitstage – das stärkt den Team-Spirit und ein tolles „WIR-Gefühl“.

Um 12:00 Uhr startet die erste Kundin ihren Einkauf. In U-Form angereiht durchläuft sie die einzelnen „Abteilungen“. In Abhängigkeit der Personen, für die die Kundin einkauft darf sie eine entsprechende Menge an Lebensmittel mitnehmen. Die zu versorgende Personenzahl erkennt man auf den mitzuführenden Ausweisen.

Zum Austeilen werde ich in die Backwaren-Abteilung versetzt, frage die Kunden, ob sie lieber helle Weizenbrötchen oder lieber Körnerbrötchen haben wollen. Darfs auch noch ein Brot sein? Ich fühle mich wie ein Supermarkt-Mitarbeiter, der seine Kund*innnen freundlich und höflich behandelt; ich schenke den Menschen ein Lächeln. Es ist ein würdevoller Umgang miteinander – man weiß um die Bedürftigkeit der Menschen. Jede*r Kund*in teilt auf seine Weise seine Dankbarkeit mit: ebenfalls ein Lächeln, ein „Danke“ oder ein freundliches Kopfnicken.

Manchmal kommt es auch zu Sprachbarrieren – aber im Tafel-Team, in dem teilweise selbst bedürftige Menschen mithelfen, helfen zahlreiche Menschen und so findet sich meistens jemand, der die Übersetzung übernimmt.

An diesem Tag waren es (wenn ich es richtig mitbekommen habe) rund 50 Kund*innen. Innerhalb von gut 90 Minuten wurden die zuvor sortierten Mengen an Lebensmittel ausgegeben – ich staune, wie schnell die Lebensmittel weg gehen. Nachdem alle Kund*innen durch sind können Kund*innen auch ein zweites Mal einkaufen gehen, sofern noch etwas übrig geblieben ist. 3 Kund*innen, die in der Zwischenzeit geduldig gewartet haben, nehmen das in Anspruch – man kann ja das ein oder andere auch noch einfrieren und so vorsorgen.

Groß aufräumen müssen wir nicht bzw. die leeren Boxen werden zwischendurch immer wieder mal weggeräumt. Die Reinigungskraft sorgt im Nachgang für Sauberkeit in den Ausgaberäumen.

Im Nachgang sitze ich noch mit Günthel Böhnel, Katja Bernhard und Ute zusammen. Ich berichte von meinen Eindrücken, versuche mehr über zukünftige politische Handlungsfelder heraus zu finden und gebe Feedback. Rund 35% aller Kund*innen der Tafel sind Bürger*innen der Stadt Dreieich.

„Jeder gibt, was er kann“
Die Tafel ist als gemeinnütziger Verein auf jede Unterstützung angewiesen und freut sich über personelle, materielle, finanzielle oder ideelle Hilfe! Die Möglichkeiten hierzu findet ihr auf der Webseite der Langener Tafel e.V. – gerne dürft ihr auch auf mich zukommen und ich stelle den direkten Kontakt her.

Es war ein Wechselbad der Gefühle und ein realistisches Abbild unserer Gesellschaft:

???? Massen an „Abfall“ der Supermärkte

???? Lebensmittel retten, Menschen helfen

???? ein unfassbares, ehrenamtliches Engagement

???? einige ToDo’s für die kommunale Politik

Neben dem politischen Engagement, die Tafel weiter unterstützen zu wollen, kommt auch das persönliche Engagement dazu: ich habe gespürt, wie dankbar die ehrenamtlichen Helfer*innen über zusätzliche Unterstützung sind. Ich bin gerne bereit für weitere Einsätze: ich spürte eine innere Zufriedenheit, das Gefühl etwas Gutes für andere Menschen an diesem Tag geschafft zu haben.

Vor allem ist man selbst – so gut es einem aktuell gerade geht – nie sicher vor externen Faktoren, die einem die Lebensgrundlage von den Füßen ziehen. In solchen Fällen kann ich nur bewundern und meine Anerkennung aussprechen, dass es die Tafel e.V. und die vielen ehrenamtlichen Helfer*innen gibt – das ist gelebte Menschlichkeit und Solidarität.